Biokunststoffe – Lösung für das Ressourcenproblem?

Biokunststoffe – Lösung für das Ressourcenproblem?

| Autor: Patrick Semadeni

Im Jahre 2015 wurden weltweit 322 Millionen Tonnen Kunststoff-Rohstoffe hergestellt1.

Basis bildet dazu Erdöl. Allerdings gehen nur je nach Region ein kleiner Anteil des Erdöls in Kunststoffe, nämlich 4-6%. 

Erdöl ist bekanntlich eine endliche Ressource. Die weltweiten Reserven an Erdöl liegen 2015 bei 1.492 Milliarden Barrel (ein Barrel sind ca. 159 Liter).2

Der Jahresverbrauch wird 2016 mit 90.701 Barrel pro Tag angegeben3.

Wenn wir diese Zahlen kombinieren, reicht das Erdöl noch für gut 40 Jahre. Das wird aber kaum so zutreffen, es gibt zu viele Unbekannte:

  • Neue Technologien werden möglicherweise neue Ölvorkommen detektieren
  • Veränderungen im Konsum beeinflussen den Verbrauch (z.B. Elektromobilität)
  • Wie entwickelt sich das Bevölkerungswachstum
  • Politische Initiativen zur Reduktion der Treibhausgase

Wie auch immer, die Kunststoffindustrie befasst sich seit Jahrzehnten damit, wie sich fossile Ausgangsstoffe zur Polymergewinnung durch nachwachsende Ressourcen ersetzen lassen. Ein spannendes und kontroverses Thema über das wir hier kurz nachdenken wollen.

Im Zentrum steht die Frage: Welche nachwachsenden Ressourcen können verwendet werden? In der Regel sind das Pflanzen welche reich an Kohlenhydraten (Zucker, Stärke, Zellulose) sind. Daraus entstehen in verschiedenen Prozessstufen Polymere. Typische Pflanzen sind hier Mais, Zuckerrohr und Kartoffeln.

Können wir also auf petrochemische Ausgangsstoffe verzichten, um Kunststoffe herzustellen? Die Antwort darauf: Nein.

Ein Grund liegt zum einen in der ungenügenden Verfügbarkeit von Anlagekapazitäten. Derzeit gibt es weltweit Kapazitäten zur Herstellung von rund 3 Millionen Jahrestonnen – gerade mal 1% der weltweiten Kunststoffproduktion4.

Ein weiterer Grund ist darin zu finden, dass die Ausgangsstoffe – kohlenhydratreiche Pflanzen – auch zur Ernährung der Menschheit benötigt werden. Weltweit werden 5 Milliarden Hektare für die Landwirtschaft genutzt, davon wurden 2014 für die Herstellung von Biokunststoffen 0.68 Millionen Hektaren verwendet – gerade mal 0,01% der globalen Landwirtschaftsfläche5. Mit dieser Fläche wird 1% der globalen Kunststoffproduktion abgedeckt, das heisst mit 68 Millionen Hektaren könnte der Jahresbedarf befriedigt werden. Diese Landflächen stehen aber in Konkurrenz zur Viehwirtschaft und zum Flächenbedarf für Ernährung.

Umweltschützer beklagen auch den Verlust an Biodiversität, wenn grössere Monokulturen angesiedelt werden, wie zum Beispiel im Falle des Zuckerrohres.

Daher geht die Entwicklung weiter in Richtung von non-food crops: die Verwendung der nicht essbaren Bestandteile von Ernährungspflanzen, namentlich der Cellulose.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den petrochemischen Anteil an Kunststoffen zu reduzieren indem nachwachsende Rohstoffe in die Kunststoffmatrix eingebunden werden. Bekannte Vertreter sind die Wood Plastic Composites WPC. Aber auch ganze Fasern lassen sich einarbeiten. 

Spannend ist auch der Einsatz von Abfallstoffen als Füllstoffe in der Kunststoffmatrix. Beim Material Starpylen bestehen 30% Gewichtsprozente aus Calciumcarbonat, das aus Schalen der Auster gewonnen wird – normalerweise ein Abfallprodukt bei der Muschelzucht.

Ein weiteres Beispiel ist der Werkstoff Agriplast, bei welchem Wiesengrasfasern beigegeben werden.

Mehr dazu finden Sie unter folgendem Link:

Präsentation «Wertstoffe aus Abfallströmen», Potsdam, 2013

Biokunststoffe lösen das Ressourcenproblem auf Sicht nicht. Sie leisten aber einen Beitrag dazu, der in Zukunft an Bedeutung zunimmt. Umso wichtiger ist es, den Kunststoffeinsatz zu optimieren und Recyclingkonzepte umzusetzen.
 

1«Plastics the Facts 2016», Plastics Europe
2OPEC, Annual Statistical Bulletin 2016, Table 3.1: World proven crude oil reserves by country
3iea, International Energy Agency, 2017
4European Bioplastics, biobased Plastics, 2017
5European Bioplastics, Land use for Bioplastics 2014 and 2019, 2017

Nach oben